Horst Kreutz: Kinder- und Jugendhilfe tief im Stadtbezirk verwurzelt

03.08.2025 - Das Kinderheim Brand, oder richtig formuliert die evangelische Kinder- und Jugendhilfe Aachen-Brand (KJH), feiert am 20. September mit einem großen Festakt, verbunden mit einem verspäteten Sommerfest, sein 60. Wiegenfest. Nicht auf ihrem 16.000 Quadratmeter großen parkähnlichen Grundstück an der Freunder Landstraße, sondern im Foyer der Gesamtschule Brand, Rombachstr. 99. Und alle, die mit der KJH Brand beruflich oder als zu Betreuende zu tun haben, sind voller Vorfreude auf das Fest und auf den runden Geburtstag. Dreh- und Angel- punkt in der Leitung der Einrichtung ist der engagierte Horst Kreutz: als Diplom Sozialarbeiter ein positiver Strippenzieher, das öffentlichkeitswirksame Gesicht, Ansprechpartner und ein überaus sympathischer und engagierter Kämpfer des KJH. Im Gespräch mit Nöits op d'r Brand war Horst Kreutz schon in Feierlaune und er ist stolz auf seinen Mitarbeiterstab und die Erfolgsgeschichte im Herzen des Stadtbezirks.


Herr Kreutz, wer braucht heute noch Kinderheime?

Horst Kreutz: Ich glaube, das heute immer mehr Menschen die Kinder- und Jugendhilfe benöti- gen. Wir haben nicht nur Bewohner bei uns, es gibt auch viele Kinder- und Jugendliche in Tagesbetreuung, die abends nach Hause gehen und wir mit unseren rund 150 Mitarbeiter*innen Kinder sowie Eltern unterstützen. Durch die Pandemie und durch Kriege ist immer mehr spürbar, dass die Menschen unsere Hilfe benötigen, in welcher Form auch immer.

Wen betreuen Sie?

Horst Kreutz: Kinder- und Jugendliche aus verschiedenen Ländern, davon sind rund ein Drittel Flüchtlingskinder- und Jugendliche. Die meist männlichen Jugendlichen leben nicht isoliert sondern mit den anderen Bewohnern aus sozial schwierigen Familien zusammen in den Gruppen. Sie wachsen fast wie in einem Familienverbund auf, lernen hier die deutsche Sprache, lernen arbeiten und gehen in die Schule. Wir blicken da auf eine Erfolgsgeschichte, denn viele, die von uns betreut wurden, haben einen Beruf erlernt und sind in ihren Berufen tätig. Ich bin sehr glücklich darüber, dass viele ihren Weg gehen und halten bis heute den Kontakt zu unserer Einrichtung. Mittlerweile haben wir auch Angebote in Schulen, und betreuen und unterstützen dort Kinder in Tagesgruppen, damit sie sich im Bildungssystem zurecht finden und einen Schulabschluss schaffen. Wir wollen präventiv mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten, bevor es überhaupt zu einer stationären Aufnahme kommen muss. Das ist ein großer Teil unserer Arbeit.

Bleibt nach einer stationären Aufnahme in Ihrem Haus auch der Kontakt zu den Eltern?

Horst Kreutz: Es geht nichts ohne die Eltern! Die Eltern müssen allen unseren Aktivitäten zustimmen – eigentlich müssten sie alle Leistungen auch selbst beantragen. Eltern werden von vorn herein, im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten, eingebunden, z.B. bei den Themen Arzt- oder Schulbesuche, da bestimmen die Eltern mit. Auch wenn die Kinder bei uns hier wohnen, gehen die Eltern mit zu z.B. Elternsprechtagen in den Schulen. Unser erstes Anliegen ist die Rückführung der Kinder in die Familien. Selbst wenn das nicht klappt und sie gehen in ihre eigenen Wohnungen, sind sie immer noch Kinder der Eltern und umgekehrt. Das Leben geht ja weiter.

Wie sieht die Struktur in Ihrem Haus aus?

Horst Kreutz: Vollstationär haben wir noch fünf Gruppen mit insgesamt 43 Kinder und Jugend- liche im Alter von 6 Jahren bis 21 Jahren. Wir haben das Appartementwohnen mit zwei Jugendliche pro Appartement, die von uns betreut werden. Und dann gehen die Jugendlichen in ihre eigenen Wohnungen mit ambulanter Betreuung. Teilstationär haben wir auch fünf Gruppen – auf unserem Gelände, eine Gebäude in der Stadt Aachen, drei Gruppen sind an Schulen. Sollten die Schulen Ferien haben gehen die Kinder in die OGS und in die Tages- gruppen. Hinzu kommt noch die Kindertagesstätte mit vier Gruppen.

Wer ist Träger der Kinder- und Jugendhilfe?

Horst Kreutz: Der Ursprungstäger, der jetzt seinen 60. Geburtstag feiert, ist das evangelische Kinderheim Brand e.V. Er wurde 1960 gegründet und hat das Kinderheim fünf Jahre später eröffnet. Der Ursprung des Vereins war die Betreuung von Flüchtlingskinder, daraus wurde dann ein ganz normales Kinderheim. In den Häusern auf unserem Grundstück, in denen zurzeit 43 Kinder und Jugendliche leben, waren es früher bis zu hunderte Kinder und Jugendliche. 2010 wurde eine gGmbH gegründet, die Träger der KJH ist und ich bin der Geschäftsführer. Finan- ziert wird die Arbeit über das Jugendamt der Stadt Aachen mit kommunalen Mitteln, die hier eingesetzt werden. Jährlich werden zwischen dem KJH und dem Jugendamt die Tagessätze je Bereich neu verhandelt.

Sie sind seit 25 Jahren Geschäftsführer den Kinderheims Brand? Hatten Sie damals die für Sie richtige Entscheidung getroffen?

Horst Kreutz: Der Start für mich war holprig. Bis zu meinem Einstieg haben die Dachverbände die Tagessätze ermittelt und die Stadt Aachen musste diese Kosten übernehmen. Mit dem Milleniumsjahr wurde das System verändert: seitdem verhandeln wir jährlich mit der Stadt Aachen und die Tagessätze werden am Jahresanfang festgelegt und wir müssen damit zurecht kommen. Wir sind ein kleines Wirtschaftsunternehmen, dass wir gemeinnützig und den Menschen zugewandt arbeiten, und gleichzeitig schauen müssen, das wir mit den jährlichen Mitteln auskommen. Genau an dieser Schnittstelle wurde ich Geschäftsführer und die Veränderungen im Haus kommunizieren und umsetzen musste. Wir haben die Häuser saniert, den Platz aufgearbeitet und neue Angebote geschaffen. Als nächstes ist die Kita dran. Außerdem ist das Haus mit seinen Kinder, die in Brander Schulen und in den Vereinen gut angesehen sind, in der Mitte des Stadtbezirks Brand tief verwurzelt. Die ersten zehn Jahre waren heftig und arbeitsintensiv, aber im Kollektiv mit meinen Mitarbeiter*innen haben wir das bis heute gut hinbekommen. Ich zitiere immer den KaLeu (Kapitänleutnant) aus dem Kinofilm 'Das Boot': Gute Leute braucht man - davon habe ich reichlich. Ich bin darüber sehr glücklich.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und die Kinder- und Jugendhilfe Brand in den nächsten Jahren?

Horst Kreutz: Wir stehen vor den Herausforderungen orientierungslose Kinder und Jugend- lichen mit merkwürdigen Verhaltensweisen zu betreuen. Und es werden immer mehr. Es ist unsere nächste Herausforderung, auch solchen Menschen helfen zu können. Dinge so zu entwickeln, dass wir mit diesem Kinder und Jugendlichen gut arbeiten können. Es ist eine gesellschaftliche Herausforderung Lösungen für diese Kinder zu finden. 

Am 20. September, dem Welt-Kindertag, feiert Ihre Einrichtung den 60. Geburtstag!

Horst Kreutz: Das wollen wir kräftig feiern. Da wir eine gute Verbindung zur Gesamtschule Brand haben – in Klassen 5 bis 7 arbeiten unsere Pädagogen – feiern wir im Foyer der Schule und sind witterungsunabhängig. Wir beginnen um 14 Uhr mit dem Segen und mit Grußworten. Anschließend gibt es eine Podiumsdiskussion, die hochkarätig besetzt ist, u.a. mit der Oberbürgermeisterin der Stadt Aachen Sibylle Keupen, zwei Jugendliche unserer Einrichtung, Bezirksbürgermeister Peter Tillmanns, Karl Scheider der Vorsitzende des Bürgervereins Brand, und Tobias Grundmann, Leiter des Aachener Fachbereichs Jugend und Schule. Dann singt der Kita-Chor und der Rockchor 60+ . Außerdem werden Spiele angeboten und Speis und Trank ist gesorgt. Wir werden Getränke und Speisen kostenfrei abgeben, damit alle mitfeiern können. Wir stellen Sammelbehälter aus, in denen wird Spenden sammeln. Ich freue mich auf eine tolle Geburtstagsparty.

Zuguterletzt!
Der Aachener Ordenshersteller Orden Xklusiv - Sasche Zartenaer und Guido Diefenthal - haben einige hundert Metallpins kostenlos herstellen lassen und dem KJH zur Verfügung gestellt. Die Jubiläumspins sollten gegen eine Mindestspende abgegeben werden. Das Geld fließt nicht der Finanzierung des Festes zu, sondern geht an Aktivitäten für die Kinder- und Jugendlichen in stationärer Unterbringung  

Das Interview führte Gerd Simons für das Stadtteilmagazin "Nöits op d'r Brand" (Ausgabe August/September 2025).

 



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